
Europäische Einflüsse im Handwerk
Auch in der Adventszeit sind die europäischen Einflüsse in der ganzen Stadt spürbar. Dann trifft böhmisches Kunsthandwerk auf finnischen Glühwein, niederländischer Sinterklaas auf polnischen Sternenzauber.
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Europäische Einflüsse in der Architektur
Palazzi und Orangerien, Pannekoeken und Pelmeni, Tulpenfest und Sinterklaas – die Architektur Potsdams spiegelt die Geschichte der Stadt wider. Und die Sehnsüchte ihrer Herrscher. So hat Brandenburgs Landeshauptstadt heute zweifelsohne viele Gesichter. Menschen aus ganz Europa kamen im Laufe der Zeit in die Residenzstadt der Hohenzollern – und damit auch ihre Bauten. Bis heute bewahrt sich Potsdam diesen europäischen Esprit. Mit allen Sinnen spürbar. In wenigen Minuten radelt man von der Französischen Kirche zum im englischen Landhausstil erbauten Schloss Cecilienhof. Oder vom böhmischen Weberviertel in Babelsberg zu den romantischen Schweizer Häusern in Klein Glienicke. Der Duft der süßen Orangen des Sizilianischen Gartens lässt von Italien träumen, das Backsteinrot des Holländischen Viertel erinnert an Amsterdam und

Ohne Frage sind die Schweizer Einflüsse in Potsdam ein Geheimtipp. Wer sich auf ihre Spuren begibt, landet entweder im historisch spannenden Klein Glienicke mit seinen noch vier von ursprünglich zehn Schweizer Häusern, die Prinz Carl von Preußen zwischen 1863 und 1867 nach damaliger Mode im Schweizer Stil erbauen ließ. Oder aber der Weg führt einen ins wunderschöne und verträumte Nattwerder, das zum Potsdamer Ortsteil Grube gehört und heute ein Flächendenkmal ist. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg wählte diesen Flecken Erde aus, um 1685 vierzehn Schweizer Kolonistenfamilien, erfahren in Wirtschaft und Viehzucht, anzusiedeln.
Nicht nur die Französische Straße oder der Name des ohne Frage berühmtesten Potsdamer Schlosses lassen eine Verbindung zu unseren Nachbarn erahnen. Auch die Französische Kirche am Bassinplatz, der „Temple de Potsdam”, ist Zeuge für ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Stadt. Im Potsdamer Toleranzedikt von 1685 bot Friedrich Wilhelm von Brandenburg den aus Frankreich geflohenen Hugenotten eine neue Heimat in Preußen an. Knapp 70 Jahre später war die Gemeinde der französischen Reformierten in Potsdam wohl so angestiegen, dass man 1752 beschloss, ihnen neben einem eigenen Quartier auch eine französisch-reformierte Kirche zu errichten. Pas mal, n’est-ce pas?!
Dass Potsdam eine eigene Russische Kolonie hat, verdankt sie der Freundschaft zwischen Friedrich Wilhelm III. und Zar Alexander I. Der Preußische König ließ die Siedlung nach dem Tod des russischen Zaren als Gedenken bauen. In die 13 Holzhäuser mit ihren weitläufigen Obstgärten zogen russische Sänger des ersten preußischen Garderegiments und ihre Familien ein. Die Kolonie wird, im wahrsten Sinne des Wortes, von der russisch-othodoxen Alexander-Newski-Gedächtniskirche auf dem anliegenden Kapellenberg gekrönt.
„English breakfast“ genießt man heute im Café „A Slice of Britain“ in der Potsdamer Innenstadt. Ob es bei Kaiser Wilhelm I. und seiner Gemahlin damals auch „Ham and egg“ gab? Wohl kaum. Sehr wohl aber mutete ihr Schloss sehr englisch an. Im Stil der englischen Neogotik thront das Sommerschloss auf dem Babelsberg und ist bis heute, vor allem vom Wasser aus, eine wahre Erscheinung. Eher romanisch aber ebenso englisch geprägt wirkt dagegen das Schloss Cecilienhof im Neuen Garten. In dem im englischen Landhausstil gebauten Anwesen lebte bis 1945 das letzte deutschen Kronprinzenpaares Wilhelm und Cecilie.
Kein Land ist in Potsdam so präsent wie Italien. Bereits der Alte Markt, das historische Zentrum der Stadt, erinnert an eine italienische Piazza. Schlendert man mit seinem Kaffee über den Platz erhebt sich vor einem die wohl markanteste Erscheinung der Stadt: die Nikolaikirche, die mit ihrer Kuppel eindeutig dem Petersdom in Rom gleicht. Spätestens bei den Streifzügen durch die weit angelegten Parkanlagen ist es dann unübersehbar: Die preußischen Herrscher sehnten sich nach Italien und ließen diese Sehnsucht in ihr Preußisches Arkadien einfließen – in Form von wunderschönen Pallazi und markanten Kirchen sowie wohl durchdachten Gärten mit einer Fülle an mediterranen Pflanzen. La dolce vita verschmilzt zu einem bis heute spürbaren, ganz besonderen Potsdam-Gefühl.
134 Backstein-Giebelhäuser sind in den Jahren 1733 bis 1742 entstanden – und das mitten im Herzen von Potsdam. Damit ist das in vier Karees angelegte Holländische Viertel das größte geschlossene Bauensemble außerhalb der Niederlande. Auch das kulinarische Angebot im Viertel umfasst viele niederländischen Spezialitäten – Wie wäre es mit Poffertjes, herzhaften oder süßen Pannekoeken oder einer heißen Schokolade im Café "Poffertjes en Pannekoeken"? Im Advent erinnert das Sinterklaas-Fest an die niederländischen Traditionen.
Doch auch im weiteren Stadtbild sowie im Umland finden sich weitere Hinweise auf Einflüsse der Niederländer in Architektur, Ingenieurs- und Handwerkskunst. Auch im Neuen Garten fallen die roten Backsteinhäuser, die zum Holländischen Etablissement gehören, sofort ins Auge. Die Niederländer waren bewunderte und erfolgreiche Kaufleute, exzellente Baumeister, Ingenieure und Handwerker und damit begehrte Einwanderer.

Zwar ließen sich die Hohenzollern beim Bauen und Planen eher von den mediterranen Gefilden inspirieren. Doch sind in der Stadt auch einige wenige architektonische Zitate aus Skandinavien zu finden. Ziemlich beachtlich ist die 2018 restaurierte Kaiserliche Matrosenstation Kongnaes (norwegisch: konge „König“, næs „Landzunge“) am Ufer des Jungfernsees. Der einstige Heimathafen für die Miniaturfregatte „Royal Louise“ beherbergt heute ein Restaurant. Und nur einen Steinwurf entfernt davon erspäht man am Ufer sogar einen Geysir! 40 Meter schießt dieser am Fuße des Schloss Babelsbergs in die Höhe.
Läuft man durch das beschauliche Weberviertel im Potsdamer Stadtteil Babelsberg, taucht man ein in eine fast dörfliche Idylle. Romantische Weberhäuschen und Straßennamen wie Tuchmacher-, Garn- und Spindelstraße erinnern an die alte Kolonie Nowawes. Auf Wunsch Friedrich II. siedelten sich hier ab 1750 böhmische Protestanten an, denen Religions- und Steuerfreiheit im Tausch für gutes böhmisches Handwerk zugesichert wurden. Die Weber und Spinner verarbeiteten Baumwolle sowie heimische Seide. Der König wollte nicht auf den Import des Luxusguts angewiesen sein und setzte alles daran, seinen Traum von der eigenen Seidenproduktion wahr werden zu lassen. Mittelpunkt der beschaulichen Siedlung war und ist der Weberplatz mit der Friedrichskirche. Erst 1939 wurde Babelsberg zu einem Stadtteil von Potsdam. Heute ist das Weberviertel eine beliebte Wohngegend für Familien, aber auch ein Kiez zum Flanieren, Genießen und Bummeln. Die Straßennamen und das Museum Weberstube Nowawes sind nur einige Zeugnisse, die an die Geschichte des Viertels erinnern. An die böhmischen Traditionen erinnern jedes Jahr im Juni das Böhmische Weberfest und im Advent der Böhmische Weihnachtsmarkt.


Nachdem die ursprüngliche Bockwindmühle von 1738 wegen ihres schlechten Zustands abgerissen und durch eine Windmühle nach holländischer Bauart ersetzt werden musste, wurde die Anlage im Zweiten Weltkrieg zerstört. Seit 1993 drehen sich weithin sichtbar wieder die Flügel der Historischen Mühle von Sanssouci. Um sie rankt sich die Legende, nach der sich Friedrich II. durch das Geklapper der Mühle gestört fühlte und den Müller Grävenitz aufforderte, seine Mühle abzureißen. Als der Müller jedoch mit dem Gang vor das Kammergericht drohte, fügte sich der König.
Die Galerieholländerwindmühle produziert bis heute Mehl, ist aber zugleich ein Museum mit einer mühlenkundlichen Dauerausstellung auf vier Ebenen. Auf anschauliche Weise geht es um die handwerkliche Windmühle, die Geschichte der Historischen Mühle sowie die Mühlen der Gegenwart. In einem kleinen Shop im Erdgeschoss der Mühle können Produkte wie das Sanssouci-Mehl gekauft werden.